80. Jahrestag der Befreiung Buchenwalds

Am vergangenen Sonntag (06.04.) war das Fanprojekt Bochum anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald in der Gedenkstätte Buchenwald zu Gast. Dort haben wir an den Gedenkfeierlichkeiten teilgenommen und aktiv am Rundgang "Geschichte. Bewusst. Machen." partizipiert.
Die Erinnerung und die Auseinandersetzung mit der Geschichte des KZ Buchenwald wird von vielen unterschiedlichen Menschen und Initiativen getragen. Gemeinsam mit diesem Netzwerk gestaltet die Gedenkstätte Buchenwald in jedem Jahr zum Jahrestag der Befreiung den Stationenweg "Geschichte. Bewusst. Machen. Ein Weg durch Buchenwald" in welchem das ehemalige Lagerareal gemeinsam begangen wird. Während des Rundgangs haben verschieden Initiativen mit Verbindungen zur Gedenkstätte Buchenwald die Möglichkeit sich und ihre Verbindung zur Gedenkstätte Buchenwald vorzustellen. In diesem Jahr war das Fanprojekt Bochum eine dieser Initiativen.
Nachfolgend die Rede die wir in Buchenwald gehalten haben:
"Liebe Mitarbeitende der Gedenkstätte, liebe Teilnehmende,
vielen Dank für die Möglichkeit hier heute an diesem besonderen Tag sprechen zu dürfen. Wir sind das Fanprojekt Bochum. Da viele von Ihnen wahrscheinlich noch nicht von uns gehört haben, möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick darüber geben wer wir sind und was wir machen. Das Fanprojekt Bochum gibt es bereits seit dem Jahr 1992. Wir sind Teil eines bundesweiten Netzwerks von aktuell 71 Fanprojekten in ganz Deutschland. Kern unserer Arbeit ist die Jugendsozialarbeit die wir mit jugendlichen und jungen erwachsenen Fußballfans durchführen. Wir begleiten die Fußballfans zu allen Spielen und sind gleichzeitig aber auch Ansprechpersonen über den Spieltag hinaus. Die Themen reichen dabei von Problemen in der Schule, der Uni oder dem Beruf bis hin zu Konflikten mit der Polizei, Problemen im Elternhaus oder der Partner*innenschaft, psychischen Problemen sowie Sucht- und Schuldenproblematiken.
Nun fragen sich vielleicht einige von Ihnen warum wir nun hier vor Ihnen stehen und zu Ihnen sprechen dürfen. Schließlich hat das was wir Ihnen gerade erzählt habe auf den ersten Blick erstmal nichts mit der Gedenkstätte Buchenwald zu tun. Auf den zweiten Blick ergeben sich jedoch vielfältige Anknüpfungspunkte. Unsere Arbeit ist nämlich keineswegs nur problemzentriert sondern ein großer Teil entfällt auch auf präventive Ansätze. Wir nutzen den Fußball als Vehikel um den Fußballfans den Zugang zu Themen zu ermöglichen, mit denen sie sich von sich aus sonst nicht auseinandersetzen würden. Dies ermöglichen wir in verschiedensten Themenfeldern, von denen die Erinnerungsarbeit ein großes ist. So haben wir beispielsweise mit Fans eine Ausstellung konzipiert in der die Geschichte Bochums im Nationalsozialismus, aber auch die Gründungsgeschichte des VfL Bochum 1848 sowie die Geschichte von Hakoah Bochum, des letzten jüdischen deutschen Fußballmeisters, aufgearbeitet wird und auch schon auf die Bochumer Außenlager Buchenwalds Bezug nimmt.
Darüber hinaus führen wir im Bereich der Erinnerungsarbeit bereits seit dem Jahr 2018 in Kooperation mit der Fanbetreuung des VfL Bochum 1848 jährlich eine Bildungsreise mit 30 Teilnehmenden in die Gedenkstätte Buchenwald durch. Dabei können wir auf die langjährige Unterstützung von Ronald Hirte und Jan Malecha zählen. In Bochum gab es insgesamt drei Außenlager des Stammlagers Buchenwald. Das früheste und kleinste der drei Außenlager war das Lager der 3. SS Baubrigade die von Juni bis Dezember 1943 von Köln nach Bochum verlegt wurde um Blindgänger zu entschärfen. Die Maximalbelegung des Lagers betrug 40 Personen. Von Juni 1944 bis März 1945 war ein Außenlager beim Bochumer Verein angesiedelt. Dort arbeiteten bis zu 1704 Personen gleichzeitig in der Rüstungsindustrie. Das letzte in Bochum geöffnete Außenlager Buchenwalds war das bei den Eisenhüttenwerken, welches von August 1944 bis März 1945 bestand. Dort mussten bis zu 652 Häftlinge gleichzeitig in der Rüstungsindustrie arbeiten.
Aufgrund dieser drei Außenlager des Stammlagers Buchenwald in Bochum ergeben sich für uns dabei vielfältige Anknüpfungspunkte an die Gedenkstätte Buchenwald. Dieser starke lokale Bezug ermöglicht den Teilnehmenden eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Schrecken des Nationalsozialismus ohne dabei jedoch auf einer abstrakten Ebene zu verharren. Vielmehr können die im Stammlager gewonnenen Erkenntnisse noch einmal ganz anders mit der eigenen Lebenswelt verknüpft werden. Plötzlich können die Erzählungen über den Nationalsozialismus mit konkreten Orten der eigenen Lebenswelt verknüpft werden.
Um diesen Transfer zu ermöglichen findet während des dreitägigen Aufenthalts in der Gedenkstätte Buchenwald unter anderem auch ein Vortrag von Dr. Michael Löffelsender über das Außenlagersystem in Buchenwald im Allgemeinen und die drei Bochumer Außenlager im Besonderen statt. Die Bildungsreise als solche erstreckt sich auf insgesamt vier Tage und startet immer mit einer Stadtführung in Weimar, in welcher die Rolle der Stadt in der Zeit des Nationalsozialismus näher beleuchtet wird. Seit dem letzten Jahr ist zudem das neu eröffnete Museum Zwangsarbeit Teil der Bildungsreise, wodurch den Teilnehmenden ein Einstieg in den Themenkomplex Zwangsarbeit ermöglicht wird, gleichzeitig aber auch die Differenzierung zu den Konzentrationslagern aufgezeigt wird. Während des Aufenthalts auf dem Ettersberg soll den Teilnehmenden ein möglichst breiter Einblick in den Komplex Buchenwald gegeben werden, sodass neben den verschieden Lagerarealen des ehemaligen Konzentrationslagers auch der Bereich des ehemaligen sowjetischen Speziallagers sowie der Glockenturm und das sich darum befindliche Areal besucht werden.
Bereits im Vorfeld des Aufenthalts in Weimar und Buchenwald wird den Teilnehmenden ein Einblick in die besondere Verbindung von Bochum und Buchenwald gewährt. In Kooperation mit dem Verein Zweitzeugen e. V. tauchen die Teilnehmenden in die Lebensgeschichte von Rolf Abrahamsohn ein. Rolf wurde 1925 in Marl geboren und seine Eltern führten ein Textilgeschäft in der Marler Innenstadt. In der Nacht der Novemberpogrome wird der Laden der Abrahamsohns geplündert und ein knappes Jahr später von der NSDAP als lokale Parteizentrale missbraucht. Rolf wurde im Jahr 1942 mit seiner Mutter in das Rigaer Ghetto deportiert und musste im Anschluss eine Odyssey durch eine Vielzahl an Konzentrationslagern überstehen. Unter anderem verbrachte Rolf von August 1944 bis Februar 1945 mehrere Monate im Außenlager Buchenwalds im Bochumer Verein. Dies beschrieb er als eins der schlimmsten Konzentrationslager. Rolf überlebte die Konzentrationslager und war von 1978 bis 1992 Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Recklinghausen-Bochum. Bis zu seinem Tod im Jahr 2021 im Alter von 96 Jahren trug Rolf den Teilnehmenden seine Lebensgeschichte noch selbst vor, ehe dies seit seinem Tod über die Zweitzeug*innen passiert. Die gerade schon angesprochene Jüdische Gemeinde, mittlerweile umbenannt in Bochum-Herne-Hattingen bildet den Abschluss unserer Bildungsreisen. Dort besteht die Möglichkeit die Bildungsreise noch einmal Revue passieren zu lassen und gleichzeitig einen Bezug zum Hier und Jetzt und dem heutigen jüdischen Leben in Bochum und Deutschland herzustellen.
Wir hoffen wir konnten Ihnen mit diesem kurzen Input einen kleinen Einblick in unsere Bildungsreise nach Buchenwald geben und die Möglichkeiten aufzeigen mit lokalem Bezug und durch die Schaffung von Räumen, Personen für Themen zu Begeistern zu denen sie sonst eher keinen Zugang hätten. Wir möchten Sie ermutigen selbst einmal auf der Seite www.aussenlager-buchenwald.de zu recherchieren wo in Ihrer Nähe sich vielleicht auch ein Außenlager von Buchenwald befunden hat. Abschließend möchten wir noch die Gelegenheit nutzen uns bei den Mitarbeitenden der Gedenkstätte für die wertvolle und anspruchsvolle Arbeit in diesen unsteten Zeiten bedanken.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!"